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Kurz darauf kam ein Mann herein und setzte sich neben uns. Er
war fröhlich und rief den jungen Männern zu, sie sollten einen
Paso doble spielen.«
»Aber das ist doch Stierkampfmusik!« sagte die Frau. »Ich
hoffe, sie haben es nicht getan.«
»Nein, das haben sie nicht. Doch sie lachten und spielten einen
Flamenco. Mein Jugendfreund und ich hatten das Gefühl, der
Himmel sei zu uns herabgestiegen. Die Kirche, die
anheimelnde Dunkelheit, der Klang der Gitarren und die
Fröhlichkeit des Mannes neben uns dies alles war ein
Wunder.
Ganz allmählich füllte sich die Kirche. Die jungen Männer
spielten weiter Flamencos, und die Hereinkommenden
lächelten, ließen sich von der Heiterkeit der Musiker anstecken.
Mein Freund fragte mich, ob ich an der Messe teilnehmen
wollte, die gleich beginnen würde. Ich sagte nein wir hatten
eine lange Reise vor uns. Wir beschlossen hinauszugehen
doch vorher dankten wir Gott für diesen wunderbaren
Augenblick.
Kaum waren wir am Portal angelangt, da merkten wir, daß viele
Leute, wirklich viele Leute, vielleicht sogar alle Bewohner der
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kleinen Stadt, zur Kirche strömten. Ich dachte, dies sei
wahrscheinlich die letzte rein katholische Ortschaft in Spanien.
Vielleicht, weil die Messen so fröhlich waren.
Als wir in den Wagen stiegen, sahen wir einen Menschenzug
herankommen. Die Leute trugen einen Sarg. Jemand war
gestorben, und die Messe sollte eine Totenmesse sein. Als der
Zug am Kirchentor angelangt war, verstummten die Flamencos,
und die Musiker stimmten ein Requiem an.«
»Möge Gott dieser Seele gnädig sein«, sagte die Frau, indem
sie sich bekreuzigte.
»Möge er ihr gnädig sein«, sagte ich und bekreuzigte mich
auch. »Daß wir in die Kirche eingetreten waren, hatte
tatsächlich eine tiefere Bedeutung. Die nämlich, daß einen am
Ende der Geschichte immer Traurigkeit erwartet.«
Die Frau sah mich an, ohne ein Wort zu sagen. Dann ging sie
hinaus und kam kurz darauf mit einem Block Papier und einem
Stift wieder.
»Gehen wir hinaus«, sagte sie.
Wir gingen zusammen hinaus. Es begann zu tagen.
»Atmen Sie tief ein«, bat sie mich. »Lassen Sie diesen neuen
Morgen in Ihre Lungen und durch Ihren ganzen Körper
strömen. Mir kommt es so vor, als hätten Sie sich gestern nicht
zufällig verlaufen.«
Ich sagte nichts.
»Außerdem haben Sie weder die Geschichte, die Sie mir
gerade erzählt haben, noch ihre Bedeutung richtig begriffen«,
fuhr sie fort. »Sie haben nur den traurigen Schluß behalten und
die heiteren Augenblicke vergessen, die Sie erlebt haben. Sie
haben das Gefühl vergessen, das so war, als wären die Himmel
herabgestiegen, und wie schön es war, all das mit ihrem& «
Sie hielt inne und lächelte.
»& Jugendfreund erlebt zu haben«, sagte sie und zwinkerte mir
zu. »Jesus hat gesagt: Laßt die Toten die Toten begraben.
Denn Er weiß, daß es den Tod nicht gibt. Das Leben existiert
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bereits, bevor wir geboren werden, und es existiert weiter, wenn
wir diese Welt verlassen.«
Meine Augen füllten sich mit Tränen.
»Dasselbe geschieht mit der Liebe«, fuhr sie fort. »Es gab sie
vorher, und es wird sie immer weiter geben.«
»Es ist, als kennten Sie mein Leben«, sagte ich.
»Alle Liebesgeschichten haben etwas gemeinsam. Ich habe
dies auch schon in meinem Leben durchgemacht. Doch daran
denke ich nicht mehr.
Ich erinnere mich daran, daß die Liebe in der Gestalt eines
anderen Mannes, in der Gestalt neuer Hoffnungen, neuer
Träume wiederkam.«
Sie reichte mir das Papier und den Stift.
»Schreiben Sie alles auf, was Sie fühlen. Holen Sie es aus Ihrer
Seele, vertrauen Sie es dem Papier an, und werfen Sie es dann
fort. Die Legende besagt, daß der Rio Piedra so kalt ist, daß
alles, was in ihn hineinfällt die Blätter, die Insekten, die
Federn der Vögel , sich in Steine verwandelt. Wer weiß,
vielleicht ist es ja eine gute Idee, das Leid in sein Wasser zu
werfen.«
Ich nahm das Papier, sie küßte mich und sagte, ich könne,
wenn ich wollte, zum Mittagessen wiederkommen.
»Vergessen Sie eines nicht«, rief sie mir nach. »Die Liebe
bleibt. Nur die Männer ändern sich!«
Ich lachte, und sie winkte.
Ich sah lange auf den Fluß. Weinte, bis ich keine Tränen mehr
hatte.
Dann begann ich zu schreiben.
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Epilog
Ich schrieb einen ganzen Tag und noch einen und noch einen.
Jeden Morgen ging ich ans Ufer des Rio Piedra. Jeden Abend
kam die Frau, nahm mich beim Arm und führte mich in ihr
Zimmer im alten Kloster.
Sie wusch meine Wäsche, bereitete das Abendessen, redete
über Nichtssagendes mit mir und brachte mich ins Bett.
Eines Morgens, ich hatte das Manuskript fast beendet, hörte ich
das Geräusch eines Wagens. Mein Herz tat einen Sprung, doch
ich wollte nicht glauben, was es mir sagte. Ich fühlte mich
schon von allem befreit, bereit, in die Welt zurückzukehren und
wieder ein Teil von ihr zu werden.
Das Schwierigste war vorüber, aber die Sehnsucht nach ihm
würde noch lange fortbestehen.
Doch mein Herz hatte recht gehabt. Obwohl ich vom
Manuskript nicht aufblickte, hörte ich seine Schritte und spürte
seine Gegenwart.
»Pilar«, sagte er und setzte sich neben mich.
Ich antwortete nicht. Ich schrieb weiter, doch ich konnte meine
Gedanken nicht mehr zusammenhalten. Mein Herz machte
Bocksprünge, versuchte sich aus meiner Brust zu befreien und
zu ihm zu eilen. Doch ich ließ es nicht zu.
Er blieb dort sitzen, blickte auf den Fluß, während ich
unablässig schrieb. Wir verbrachten so den ganzen Morgen
wortlos , und ich erinnerte mich an das Schweigen in jener
Nacht am Brunnen, wo ich plötzlich begriffen hatte, daß ich ihn
liebte.
Als meine Hand vor Müdigkeit nicht mehr weiterschreiben
konnte, machte ich eine Pause. Da sprach er.
»Es war dunkel, als ich aus der Höhle herauskam, und ich
konnte dich nicht finden. Da bin ich nach Saragossa gefahren.
Und dann nach Soria. Und ich wäre auf der Suche nach dir um
die ganze Welt gefahren. Ich beschloß dann, zum Kloster von
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Piedra zurückzukehren, um zu sehen, ob ich eine Spur finden
konnte. Und da traf ich eine Frau.
Sie zeigte mir, wo du warst. Und sagte, daß auch du all die
Tage auf mich gewartet hast.«
Meine Augen füllten sich mit Tränen.
»Und ich werde an deiner Seite sitzen bleiben, solange du an
diesem Fluß sitzt. Und wenn du schläfst, werde ich vor deinem
Haus schlafen. Und wenn du weit weg reist, dann werde ich dir
folgen.
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